Drehtagebuch von Damaris Bruder und (ihrem Vater) Wilhelm Ruhs Braunschweig Zuerst mussten wir zur Kostümprobe nach Salzgitter Bad Dort bekamen wir Bekleidung aus den 60iger Jahren (total fürchterlich) Damaris ist die Frau eines eingeschlossenen Bergmannes, der eine der Hauptrollen spielt. Ich bin ein Reporter mit Hut, Mantel und mit Notizblock (Bart ist ab). In Lehrte bei Hannover haben wir vor dem Werkstor gedreht, wie Techn.Hilfswerk und das Rote Kreuz zur Bergung an und wieder abgerückt sind. Die Reporter wurden dabei vom Werksschutz zurückgedrängt. Dann war ein Regendreh mit Kunstregen (ich glaube ich stand mitten im Wasserfall). Mit Proben wurde er 8x wiederholt, dann war endlich Feierabend. Es gibt gutes Essen und eine Aufwandsentschädigung von 45€ je Tag und 5€ je Überstunde Zu den Drehtagen werde ich von der Firma freigestellt (Urlaub Zeitausgleich u.s.w.). Am Mittw.12.03. waren wir zum Dreh in Goslar (Harz) bei einer stillgelegten Erzwaschanlage. Dort sind der Bohrturm und die Ü-wagen von Rundfunk und Fernsehen aufgestellt. Als Reporter war ich 3m von der Kamera entfernt, als die Frauen mit ihren im Berg eingeschlossenen Männern per Mikrofon sprechen durften. Alles wurde total real nachgestellt. Leider sorgte der Regen für etliche Zwangspausen. Meinen Soll habe ich für diese Woche erfüllt, aber Damaris dreht fast jeden Tag. Und das geht noch bis Anfang April. Nach einem 9-Stunden-Drehtag ist man total K.O. Aber dies ist eine einmalige Gelegenheit, so etwas kennen zulernen. Dafür nimmt man schon einiges auf sich. Der Film wird als 2-Teiler a 90 Minuten auf Sat1 im Oktober gesendet. Am Montag 17.03. ging der Dreh für mich weiter. Wir Reporter standen an der Absperrung und wollten unbedingt rein Bei einer Einstellung hat der Werksschutz mich mit dem Absperrband fast gefesselt (das war ein Gejohle – musste noch mal gedreht werden.) Dann lief ich genau vor der Kamera durch das Bild so wie es geplant war Als ich zum Bohrloch wollte, lieferte ich ein Gerangel und Geschiebe mit einem Werkschutzbeamten. Die Regie war sehr zufrieden damit. Auch sonst hat man für mich meistens irgendwelche Spezialaufgaben vor der Kamera. Die Anderen sind dann beleidigt weil sie nicht so nah ran kommen. Ist mir aber total Wurst. In einer Versorgungsbohrung wird Möhrensaft zu den Eingeschlossenen hinuntergelassen. Alle reißen ihre Witze darüber. Langweilig wird es jedenfalls nicht. Freitag den 21. geht es weiter. Hoffentlich ist es dann nicht mehr so kalt. Freitag 21.03.: Obwohl die Sonne scheint, ist es der kälteste Drehtag. Wir nutzen jede Gelegenheit uns aufzuwärmen. Inzwischen ist eine mächtige Bohranlage für eine 600 Bohrung aufgebaut. Dann wird unter Beifall aller Beteiligter ein Kompressor mit dem Tieflader zur Bohrung gebracht. Er wurde aus Belgien organisiert. Dann wird mit Pressluft statt mit Wasser gebohrt damit die Eingeschlossenen nicht absaufen. Sie erhalten Anweisungen wie sie sich schützen können, wenn die Bohrung in den Hohlraum eindringt. Schutzbrillen und Ohrenschützer werden runtergelassen. Die Reporter versuchen alles mitzubekommen werden aber vom Werkschutz zurückgedrängt. Hatte ein lustiges Gespräch mit Armin Rhode er hat eine Hauptrolle als Bohrmeister und immer eine Große Klappe. (Am Samstag war er dann bei Wetten dass ein Wettpate –Bratgeräusche-, weil er verloren hat, ist er dann nackt nur mit einer Schürze bekleidet über die Bühne geflitzt). Er hat aber dafür von jeden Zuschauer 1€ für Kinder in Not bekommen. Auch bei den Dreharbeiten sorgt er immer für gute Stimmung. Gustav Peter Wöhler als Arzt war auch wieder dabei. Nebenbei hatte ich die Gelegenheit, das Wasserstudio zu besichtigen .Grubengänge und verbrochene Hohlräume wurden in einer Fabrikhalle nachgebaut. Erst in einem kleinem Modell, dann in Originalgröße. In der ersten Etage wurde eine große Wasserwanne gebaut. 250m/3. Über eine Schleuse konnte man damit die Grubengänge realitätsnah fluten. Montag 24.03 Endlich ein warmer Drehtag Es wird der Bergungsbohrer montiert. Mit Wasser wird weitergebohrt. Die Reporter stehen am Bahndamm und berichten. Dann stehe ich mit Damaris vor der Absperrung. Von hinten kommt ein Original Polizeikäfer angefahren. Später findet die Trauerfeier am Bohrloch mit Kindern und Kerzen statt. Eine Bergmannskapelle spielt einen Trauermarsch. 1m vor der Kamera schreibe ich alles auf. dann gehen wir vom Bohrloch weg. Der Pastor hängt oft mit der Predigt und flucht dann. Später unterhalte ich mich mit Heike Makatsch, Tomas Heinze und Gustav Peter Wöhler. Sie geben mir jeder ein Autogramm in mein Lengedebuch. Armin Rhode lobte unsere Arbeit und zitierte den sinnreichen Spruch: “Den König spielen immer die Anderen.“ Damaris und ich werden übrigens (zu ihrem Ärgernis ) für ein Pärchen gehalten. Alle wundern sich, dass sie meine Tochter ist. Dienstag 25.03.03 Mit lautem Knall bricht der Bohrer unter Luftdruck in den Hohlraum (Alter Mann), wohin sich die Eingeschlossenen zurückgezogen haben. Vor dem Knall erschrecken alle – auch wir Reporter. In einer riesigen Staubfontäne wird die Bohrplattform eingenebelt. Das wurde in verschiedenen Variationen mehrfach geprobt. (Zum Leidwesen der Hauptdarsteller.) Sie wurden mehrfach total eingepudert bis die richtige Dosierung gefunden wurde. Ich stehe auf einer riesigen Kabelrolle mit einigen Kollegen und notiere was ich sehe. Dann die bange Frage von der Bohrplattform: „Ist alles OK?“ Nach einigen Schrecksekunden die Antwort. Der Hohlraum hält. Es wird gejubelt. Auch dieser Jubel wurde mehrfach mit verschiedenen Kameraeinstellungen gedreht. Nach Erweiterung der Bohrung steht einer Bergung nichts mehr im Weg. Wir benutzen jede Drehpause um eine Sitzgelegenheit zu suchen. Die Schuhe sind total unbequem und drücken überall. Nach 10 Stunden Drehzeit sind wir total K.O. Armin Rhode blödelt immer rum so hat er bei einer Gelegenheit zu den Eingeschlossenen gesagt wir sitzen gerade an der Kaffeetafel mit Kuchen und Sahne. (Der Ton ist dann schon abgestellt, aber er brüllt so laut, dass er auf dem ganzen Bohrplatz zu hören ist. Damit lockert er die Stimmung immer wieder auf.) Mittwoch 26.o4 Heute haben zwei Schauspieler mein Buch signiert. Es folgen noch viele andere. Der Dreh mit dem Bohrer wird vom Vortag fortgesetzt. Der Hohlraum („Alter Mann“) ist nicht eingebrochen. Die Bohrung wird erweitert. später wird sie verrohrt, um sie zu stabilisieren. Es folgt eine lange Drehpause, in der die Kräne anders positioniert werden. Lange Rohre mit 600mm Durchmesser werden in die Tiefe vorgetrieben. Als Reporter klettere ich auf das Dach eines Bahnwärterschuppens um alles besser zu überblicken. Dort steht auch eine Nostalgische Filmkamera und 2 Fotografen. Auf der Bohrplattform steht die Dahlbuschbombe (ein Rohr mit 580mm Durchm. mit länglicher Öffnung halbrunden Gitterdach, Boden und einer Aufhängevorrichtung mit Ledergurten). Darin kann eine Person aufrecht stehen. Ein Freiwilliger der Grubenwehr wird hinabgelassen. Dazu dient ein Lkw mit einer Seilwinde (normalerweise werden damit Segelflugzeuge auf Höhe gebracht.) Ich beobachte alles und notiere alle Vorgänge. So auch, wie in einer Liste erstellt wird, wer zuerst hochkommt. Sie hat der Grubenarzt erstellt. Mit dieser fährt der Freiwillige in die Tiefe und hilft den Überlebenden in die Bombe, damit sie sicher ans Tageslicht gezogen werden. Mit akrobatischen und stuntähnlichen Aktionen klettert der Kameramann auf eine Feuerwehr- leiter und den Bohrturm, um seine Aufnahmegeräte wirkungsvoll zu platzieren. Verschiedene echte Reporter von Tageszeitungen Filmen und machen Fotos. Einer ist so dreist und will sich unter uns Komparsen mischen. Er wird aber sofort verpfiffen und die Regie dirigiert ihn weg. Einer vom Filmteam spielt das Opfer und lässt sich mehrfach mit der Rettungsbombe hoch und runterhieven. Einmal sprang er aus der Bombe führte einen Freudentanz auf und schrie lauthals juchhuuu!!! ich bin geretteeet!!! (Alle johlten und lachten mit.) Auch Armin Rhode blödelt rum. Zwei Reporterinnen gesellen sich noch zu uns. Sie haben die Teilnahme durch ein Preisausschreiben gewonnen. Beide bekommen kein Komparsengeld. Dafür dürfen sie mit den Schauspielern zu Mittag essen und werden von der Presse verfolgt. Donnerstag 27.o3 Am Morgen ist noch ein Gewitterregen, doch dann bessert sich das Wetter. An die 300 Komparsen sind heute da und etwa 30 Filmschauspieler. Es wird da weitergedreht, wo wir Vortags geendet haben. Jetzt sind aber alle richtigen Kumpels dabei .Sie sind mit rotgeränderten Augen und Verletzungen geschminkt. Ein Reporterkomparse versucht sich noch zu uns aufs Dach zu mogeln. Aber das Foto vom Vortag entlarvt ihn als Fremdkörper. Also runter mit ihm (und weg von der Kamera und unseren guten Aussichtspunkt)- entscheidet die Regie. Meine Tochter ( Damaris ) hat inzwischen ihren Film-Mann ausfindig gemacht und mir vorgestellt (Steffen Schröder). Passt gut zu ihr. Sie hat auch plötzlich zwei Kinder bekommen. Einer nach dem anderen von den eingeschlossenen Kumpels wird nun mit der Bombe runtergelassen und dann wieder hochgezogen. Beim verlassen der Bombe bekommen sie eine Sonnenbrille verpasst. Kaum kommen sie halbwegs zu Besinnung, bricht ein Riesenjubel los, an dem alle Komparsen beteiligt sind. Das wiederholt sich 11-mal. In meiner Zweitrolle als Angehöriger stehe ich hinter den Kindern an der Absperrung. Das hatte einen Vorteil. Man konnte jeden, der sich vor die Kinder stellte klar machen, dass die Kinder zu sehen sein müssen. So wurde bereitwillig Platz gemacht und man stand selbst gut zur Kamera. Von ihren gesunden Kumpels gestützt, verlassen nun die Geretteten die Bohrplattform. Die Angehörigen drängeln sich durch die Menge. Auch meine Tochter (Damaris) strebt mit den Kindern zu ihrem Film-Mann. Sie finden sich im Gemenge und fallen sich um den Hals. Die Geretteten werden in die nostalgischen Krankenwagen gebracht. Als begeisterter Reporter stehe ich auf dem Bahndamm und notiere eifrig das Geschehen. Insgeheim hoffe ich, dass die Kamera auch mich für einige Filmsekunden eingefangen hat. Mehrfach wird alles geprobt und auf das Kommando: Ruhe zum Drehen! Ton ab! Kamera läuft! Und Bitte! hofft man, dass alles zur Zufriedenheit der Regie auf Anhieb klappt. Doch zwei bis fünf Mal kann sich das wiederholen. Daher wundert es nicht, das für einen Drehtag nicht mehr als ein bis vier Minuten Film erzeugt werden. Sat 1 filmte alles. Montags kam dann ein Beitrag im Frühstücksfernsehen. Die Lokalpresse machte Fotos und berichtet einige Tage darüber. In einer Radiosendung bei FFN lobt Armin Rhode die Mitarbeit der Komparsen und macht deutlich, dass ohne ihren bereitwilligen Einsatz dieser Film nicht so gut geworden wäre. Nebenbei lernt man auch interessante Leute kennen, so z.B. den ehemaligen Leiter der Fernmeldestelle. Er organisierte 1963 Tag und Nacht für die Reporter und Rettungsdienste die Kommunikation in alle Teile der Welt. Er bekam dafür das Bundesverdienstkreuz. Jetzt wurde er eingeladen als Reporter mitzudrehen. Abends kommen Damaris und ich mit einigen Hauptdarstellern ins Gespräch. Alle haben mein Buch signiert. Bei einer Pressekonferenz wird ein Zusammenschnitt der Dreharbeiten gezeigt und die Hauptdarsteller werden interviewt. Dann wird noch etwas gefeiert. Heino Ferch lädt Damaris noch zu einer Abschlussfeier ein.(Bei der sie später auch anwesend war) Mittwoch 2.04 Damaris dreht am Originalschauplatz. Sie ist als Witwe eingekleidet und geht zur Totenmesse in die Kirche von Lengede. Da platzt ein Junge rein und verkündet, dass noch Lebende gefunden wurden. Der Pfarrer liest von einem Zettel die Namen der Lebenden vor. Darunter auch der Mann von Damaris. Es war ihr letzter Drehtag. Dabei habe ich nur Fotos gemacht. Eine echte Witwe von damals habe ich dabei auch kennen gelernt. Sie musste ihren Mann gleich 2mal beerdigen. Ein Toter wurde als ihr Mann identifiziert. Daraufhin fand eine große Beerdigung statt bei der das gesamte Dorf dabei war. 4 Monate später fand man ihren richtigen Mann im hintersten Winkel unter Tage. (Sie hatte an seine Socken Schlaufen zum aufhängen genäht die hat man bei ihm gefunden). Ein Nachbar hatte ihn dann eindeutig erkannt. Nachdem man den falschen Toten umgebettet hatte konnte ihr richtiger Mann bestattet werden. Mit dieser Frau bin ich dann zur Regie gegangen. Sie durfte in Trauerkleidung mit in die Kirche zum Drehen. Sie meinte das sie das ihrem Mann zuliebe tut obwohl jetzt alles wieder auflebt. Sie hat nie mehr geheiratet. Nebenbei erzählte sie mir noch das ihr Mann sich einige Tage vor dem Unglück beschwert hatte, das es überall so feucht geworden sei. Daraufhin meinte der Vorgesetzte lapidar „Dann haltet doch den Daumen drauf, dann ist es wieder trocken!“ Später brach der Klärteich und setzte die Grube bis auf einige Luftblasen unter Wasser. Da ich heute drehfrei habe, fahre ich eher nach Hause. Vorher besuche ich aber noch die Gedenkstätte. Dort ist noch das Original-Bohrloch und die Versorgungsbohrung zu sehen. Ein Stein erinnert an das Geschehen. Da von den 21 Bergleuten die sich dorthin zurückgezogen haben nur 11 überlebten, steht auf den Stein „Sie Ruhen 60 Meter unter uns“ (sie wurden auch niemals geborgen). Die Namen weiterer Bergleute stehen auf einer anderen Gedenktafel. 5 Jahre später ist dann über Tage ein Munitionslager explodiert bei dem 14 Bergleute den Tod fanden. Der Betrieb in der Eisenerzgrube Mathilde wurde dann 1977 entgültig eingestellt. Dienstag 8.04.03 Der letzte Drehtag für mich war in Wittmar bei Wolfenbüttel im Gasthof zur Asse. Eine Pressekonferenz wurde installiert in einem völlig verräucherten Festsaal, verstärkt durch Nebelmaschinen. Auf dem Podium sitzen der Bergwerksdirektor und der Grubenarzt. Sie verkünden, dass die Suche nach Überlebenden eingestellt wird. (Allgemeines Entsetzen und Unruhe im Saal). Eine Kellnerin (Heike Makatsch), deren Mann noch in der Grube ist, lässt ein Tablett mit vollen Gläsern fallen (ein Mordsknall!). Wurde 2x gedreht mit jede Menge Scherben. Sie läuft zum Podium und ruft, dass ihr Mann in der Grube lebt, sie fühlt das. (Als Reporter schreibe ich alles mit.) Tomas Heinze, ebenfalls Reporter, erwähnt Gerüchte von Luftblasen, wo noch Überlebende sein könnten. Er fragt auch was wohl wäre, wenn später verhungerte Kumpel unter Tage gefunden würden. Anhand einer Karte erklärt der Direktor das die Grube bis zur 60 Meter –Sohle geflutet ist deshalb kann niemand mehr am Leben sein. (Allgemeine Resignation) drei Überlebende gefunden) sind der Direktor (Günter-Maria Halmer), der Grubenarzt (Gustav Peter Wöhler) und ein Vermessungsing. (Silvester Groth) anwesend. Der Bergwerksdirektor betont, dass jetzt aber die Suche eingestellt wird und möglichst bald der Betrieb wieder aufgenommen wird, weil 1000 Arbeitsplätze auf den Spiel stünden und weitere Suchbohrungen zwecklos wären. Für Damaris war noch ein Drehtag geplant, aber aus Kostengründen wurde er gestrichen weil das geplante Budget längs überschritten war. Damaris und noch einige wenige andere Komparsen kamen dann auch noch dazu. Lengede Trailer
Das Wunder von Lengede
- Nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2004 Bester Fernsehfilm/Mehrteiler
- BAMBI für das "TV-Ereignis des Jahres" 2003 - Goldene Kamera 2004 - Kategorie "Bester deutscher Fernsehfilm" - Grimme Preis 2004 in der Kategorie "Serien & Mehrteiler" - Bayerischer Fernsehpreis 2004 für Kaspar Heidelbach (Regie) und Götz Weidner (Szenenbild) |